Auslandsemester klingt nach einem großen Abenteuer. Verändert dich das Auslandssemester – so als Person?
Das Auslandssemester hilft mir ungemein dabei selbstständiger zu sein. Da ich in Potsdam sonst noch zu Hause bei meinen Eltern lebe, bin ich es nicht gewohnt meinen eigenen Haushalt ganz alleine zu schmeißen. Ich glaube, dass das Leben hier in Leuven mich somit nochmal ein bisschen erwachsener gemacht hat. Selber kochen, Wäsche waschen, einkaufen und abwaschen ist jetzt Alltag geworden.
Wie unterscheidet sich die Uni in Leuven zur Universität Potsdam? Gibt es dort einen MINT-Bereich und wie ist dazu deine Verbindung?
Die KU Leuven weist ein paar Unterschiede zur Universität Potsdam auf. Zum einen existieren hier keine akademischen Viertel. Somit beginnen und enden die meisten Vorlesungen zur vollen Stunde. Dadurch gibt es auch nicht die gewohnte 30 Minuten Pause zwischen den Veranstaltungen, was bedeutet, dass man manchmal ziemlich hetzen muss, wenn man direkt hintereinander zwei Kurse hat. Zum anderen ist die Struktur der Veranstaltungen hier auch ein bisschen flexibler. Manche Kurse haben erst im Oktober begonnen und enden dafür schon Ende November. Es muss also nicht zwingend sein, dass eine Veranstaltung von Vorlesungsbeginn bis Vorlesungsende geht. Viele Vorlesungen gehen auch über drei Stunden. Daran muss man sich erstmal gewöhnen, wenn man von der Uni Potsdam eigentlich Veranstaltungen von nur 90 Minuten kennt. Auch die Prüfungsphase ist hier ein wenig anders geregelt. Die erste ganze Woche im Januar gilt als eine Art Lernwoche und danach steht der komplette Januar für die Prüfungen zur Verfügung. Dennoch muss nicht zwingend der gesamte Monat dafür ausgeschöpft werden. So schreibe ich zum Beispiel drei Prüfungen innerhalb von vier Tagen. Das wird schon ziemlich anspruchsvoll und anstrengend.
Vom MINT-Bereich an der KU Leuven habe ich tatsächlich noch nicht so viel mitbekommen, da die jeweiligen Fächer an einem anderen Campus gelehrt werden. Jedoch weiß ich, dass die KU Leuven auch in den MINT-Fächern einen unglaublich guten Ruf hat. Was vielleicht überrascht? Obwohl ich Politik und Wirtschaft studiere, arbeite ich im Nebenjob als Verwaltungshilfskraft im MINT-Bereich der Uni Potsdam. Dort befinde ich mich im regen Austausch mit studentischen Trainer:innen, die Workshops für Studieninteressierte anbieten. In der Schule war ich auch immer ein großer Fan von einigen MINT-Fächern, wie Biologie oder Geographie und mein Job im MINT-Team ist ein schöner Kontrast zu meinem Studiengang. Besonders gefällt mir die Teamarbeit und die Abwechslung, denn von der Planung eines Messestands, bis zur Durchführung unseres Parcours ist alles mit dabei. Gleichzeitig tun wir auch viel für Chancengleichheit zum Beispiel im Rahmen der tasteMINT-Angebote, um der Unterrepräsentation von Frauen in den MINT-Fächern entgegenzuwirken, was ich als extrem wichtig erachte. Es ist einfach schön zu sehen, wie junge Frauen an Selbstbewusstsein gewinnen und sich durch unsere Arbeit, einem MINT-Studiengang mehr und besser gewachsen fühlen.
Wie sieht für dich so ein typischer Tag an der Uni aus?
Die meisten meiner Vorlesungen starten erst mittags oder am frühen Nachmittag. Das bedeutet fast immer Ausschlafen für mich, worüber ich sehr froh bin. Nach dem Frühstück mache ich mich dann entweder an die Arbeit oder bereite etwas für die Uni vor oder nach. Viele Aspekte der Vorlesungen erfolgen nämlich in Eigenregie, wie das Lesen von Lektüre. Meistens habe ich am Tag nur eine einzige oder maximal zwei Veranstaltungen, wodurch noch Zeit für die Eigenarbeit aber auch Sport und Freizeit bleibt. Ich habe an verschiedenen Fakultäten Kurse, die ich aber alle schnell zu Fuß erreichen kann. Die Lehre würde ich als recht ähnlich zu der in Potsdam beschreiben, jedoch ist sie schon etwas anspruchsvoller. Ich habe neben meinem Sprachkurs, zwei Politik-, ein Wirtschafts- und ein Studiumplus-Modul, das macht den Stundenplan ziemlich abwechslungsreich. Ein Studiumplus-Modul ist ein Baustein innerhalb des studienbegleitenden Programms, der fachübergreifende und fachergänzende Schlüsselkompetenzen vermittelt. Die Module sind immer gut durchmischt, denn ich habe sowohl mit lokalen als auch oft mit Master- und Bachelor-Studierenden gemeinsame Vorlesungen. Nach der Uni geht es für mich oft direkt wieder in meine Wohnung oder ab in den Supermarkt. Abends telefoniere ich dann gerne mit meiner Familie oder Freund:innen von zu Hause. Zudem koche ich an den meisten Abenden selber. Danach wird abgewaschen und ich lasse den Abend entspannt ausklingen. Ich würde sagen, dass das so ein typischer Studierendenalltag ist.
Was würdest du einem Studierenden raten, der:die Bedenken hat seine:ihre Wohnung aufzugeben und auch finanziell nicht so gut aufgestellt ist?
Bezüglich des Aufgebens der eigenen Wohnung kann ich nicht allzu viel sagen, da ich in Potsdam noch zu Hause wohne. Jedoch habe ich Freund:innen an der Uni Potsdam, die mit mir zeitgleich ein Auslandssemester machen und sich Gedanken um ihre Wohnung machen mussten. Meine eine Freundin hat für diesen Zeitraum ihr Zimmer untervermietet und konnte somit ihre Wohnung behalten und wieder entspannt einziehen, wenn sie zurückkommt. Das würde ich auch anderen Student:innen raten, wenn sie diese Möglichkeit haben. Die finanziellen Gegebenheiten sind extrem wichtig. Studierende, die finanziell nicht so gut aufgestellt sind, müssen dennoch nicht zwingend auf einen Auslandsaufenthalt verzichten. Trotzdem würde ich ihnen raten, sich vorher zu informieren, vor allem zu den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land. Wie schon gesagt, ist Leuven recht kostspielig und somit vielleicht nicht die passendste Wahl, wenn man nicht über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügt. Es gibt aber auch viele andere Länder mit guten Unis, wo man geringere Ausgaben hat. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es finanzielle Unterstützung wie zum Beispiel durch Erasmus+ gibt. Die Universität Potsdam hat hierbei eine Förderungsdauer von 120 Tagen (meistens also ein wenig kürzer als der eigentliche Aufenthalt lang ist). Belgien zum Beispiel befindet sich in der höchstens Ländergruppe, wodurch ich die meiste finanzielle Förderung bekomme: Das sind pro Monat 600 Euro (also insgesamt 2400 Euro). Ehrlicherweise sollte ich aber zugeben, dass diese 600 Euro in meinem Fall nicht mal die Miete abdecken würden, aber es gibt auch Gegenbeispiele aus anderen Ländern, wo die Miete gerne mal “nur“ 300 Euro betragen kann. In diesem Fall kann man mit der Erasmusförderung sicherlich fast seinen gesamten Aufenthalt komplett abdecken. Darum sollte sich wirklich jede: jeder vorher über die jeweilige Universitätsstadt informieren, um ungefähr abwägen zu können, wie hoch die finanzielle Belastung sein könnte.
Was ist mit Fernweh? Vermisst du etwas oder jemanden aus Deutschland?
Ich vermisse vor allem meine Katzen, wenn ich ehrlich bin. Die werden mir aber immer von meinen Eltern via FaceTime oder Bildern gezeigt, sie sind also nicht aus der Welt. Natürlich fehlen mir auch meine Familie und Freund:innen, aber mit denen telefoniere ich regelmäßig. Außerdem war ich auch bereits einmal schon wieder für ein paar Tage zu Hause und Ende November steht ein weiterer Besuch an. Durch meine Vergangenheit als Leistungsschwimmerin bin ich es gewohnt oft von zu Hause entfernt zu sein. Deshalb habe ich zum Glück keine Probleme mit Heimweh. Was mir tatsächlich auch fehlt, sind die typischen deutschen Supermärkte, deren Preise, aber auch mein Zuhause an sich. Meine Wohnung hier in Leuven, ist zwar ziemlich schön, aber zu Hause ist es doch immer am schönsten.
Was wirst du nach Abschluss des Semesters am meisten aus Belgien vermissen?
Mir wird vor allem mein Alltag hier fehlen. Für mich ist meine derzeitige Situation, wie schon beschrieben, ziemliches Neuland, aber ich genieße diese Individualität auch sehr. Auch die extrem kurzen Wege zu Fuß, ganz gleich ob zu den Fakultäten oder zum Supermarkt, sind ziemlicher Luxus für mich. Allgemein wird mir wahrscheinlich einfach der Charme und das Flair der Stadt fehlen…und die belgischen Waffeln😉 Für mich ist Leuven eine unglaublich schöne und aufregende Stadt, die ich bereits jetzt enorm ins Herz geschlossen habe.